Gablonzer Siedlungswerk

Iser-Quartier Neugablonz, Wegeleitsystem

Im bayrischen Neugablonz, einem Teilort von Kaufbeuren, entstand nach dem Abriss eines alten Wohnquartiers ein neues: acht Punkthäuser mit insgesamt 109 Wohnungen bieten jungen und alten BewohnerInnen ein neues Zuhause. Von der Wohnungsbaugenossenschaft Gablonzer Siedlungswerk (die seit 1949 Wohnraum in Neugablonz baut und verwaltet) wurden wir beauftragt, für diese neuen Gebäude und das Gelände ein Wegeleitkonzept zu entwickeln.

Beim Erkunden der Umgebung des neuen Quartiers offenbart sich eine interessante Stadtgeschichte, denn keiner der zahlreichen Riegelbauten scheint älter als etwa 70 Jahre. Wir recherchieren: Auf dem Gelände einer ehemaligen Sprengstofffabrik siedelten sich nach 1945 etwa 18.000 Heimatvertriebene aus Gablonz (heute: Jablonec nad Nisou in Tschechien) an und bauten in den folgenden Jahrzehnten die in ihrer Heimat zurückgelassene Schmuck- und Glasindustrie wieder auf. Diesem Hintergrund entstammt der Ortsname ›Neugablonz‹. Heute zählt Neugablonz etwa 14.000 EinwohnerInnen – viele von ihnen sind Nachfahren der Heimatvertriebenen; und viele pflegen bis heute Traditionen aus der alten Heimat ihrer Eltern. Die ungewöhnliche Geschichte des Ortes ist an vielen Ecken sicht- und spürbar: In der Bäckerei essen wir Kleckselkuchen und Butterwischel (nach alten Rezepten aus Gablonz), in einer Buchhandlung finden wir Lyrik-Bände in Paurisch, der Isergebirgs-Mundart.

Unser Designkonzept setzt genau an diesem Punkt an: Im ersten Schritt überzeugen wir unsere Auftraggeber von einem neuen Namen für das bis dato mit ›Wohnpark Reichenberger Straße‹ betitelten Gelände. Mit ›Iser-Quartier‹ spannen wir einen Bogen zu den Wurzeln vieler EinwohnerInnen – von den Alpen (die sind bei Föhnwetter von vielen Wohnungen aus sichtbar) zum Isergebirge in Tschechien.

Im nächsten Schritt geben wir den architektonisch homogenen Punkthäusern eine jeweils eigene Identität, ein Gesicht im wahren Wortsinn: Wir benennen die acht Häuser nach bekannten, aus Reichenberg (heute Liberec) in Nordböhmen stammenden Persönlichkeiten der älteren und jüngeren Geschichte. So gibt es beispielsweise ein Otfried-Preußler-Haus, ein Ferdinand-Porsche-Haus, ein Winnie-Jakob-Haus. Gebäude und Wegweisungen werden mit diesen Namen versehen. In den geräumigen Eingangsbereichen und Treppenhäusern der Gebäude führen wir eine erzählerische Ebene ein: Gezeichnete Portraits, die jeweilige Biografie und kleine, gezeichnete Icons, die auf Leben und Wirken der namengebenden Persönlichkeit Bezug nehmen, verleihen jedem Gebäude einen eigenen Charakter – und den BewohnerInnen die Möglichkeit zur Identifikation.

Und schließlich schaffen wir den Bezug zur Gegenwart: Auf einer 15 Meter langen Glasfassade nennen wir alle Menschen, die an der Entstehung des Iser-Quartiers beteiligt waren: Vom Kranführer über die Architekten bis hin zur Gärtnerin, die die Außenanlagen mit hunderten von Blumenzwiebeln bestückt hat, verewigen wir – unhierarchisch nach Vornamen geordnet – ca. 200 Personen. Ein herzliches Danke an Auftraggeber und Architekten – Wohnungsbaugenossenschaft Gablonzer Siedlungswerk, Wolf Sedat Architekten und Baulinie Architekten – für diese spannende, konstruktive Zusammenarbeit! Danke auch an die Illustratorin www.sylviawolf.de